Eine Sufi-Erzählung von Rumi

Von: Rumi, aus Masnawi, Buch I


Die Chinesen und die Römer stritten sich darüber, wer von ihnen die besseren Künstler seien.

Der König sagte: „Wir werden diesen Sachverhalt in einer Debatte beilegen."

Die Chinesen begannen zu diskutieren,
doch die Römer sagten nichts.

Sie gingen.

Die Chinesen schlugen sodann vor, dass man jeder Seite einen Raum geben sollte, in dem sie an ihren Kunstwerken arbeiten könnten. Zwei gegenüberliegende Zimmer, getrennt durch einen Vorhang.

Die Chinesen baten den König um hundert Farben, alle möglichen Variationen.

Jeden Morgen kamen sie zum Farblager und nahmen sie alle mit.

Die Römer nahmen keine Farben. „Wir brauchen sie nicht für unsere Arbeit", sagten sie.

Sie gingen in ihren Raum und fingen an, die Wände zu reinigen und zu polieren. An jedem Tag waren sie die ganze Zeit nur damit beschäftigt, die Wände so rein und fleckenlos zu polieren, wie einen klaren Himmel.

Es gibt einen Weg, der von allen Farben zur Farblosigkeit führt.

Du musst wissen, dass die herrliche Vielfalt Der Wolken und des Wetters durch Die absolute Einfachheit der Sonne und des Mondes entsteht.

Die Chinesen beendeten ihr Werk und waren überglücklich.

Um ihre Freude auszudrücken spielten sie die Trommeln.

Der König betrat ihren Raum, voller Erstaunen über herrlichen Farben und die Details.

Sodann zogen die Römer den Vorhang beiseite, der die beiden Räume voneinander trennte.

Die chinesischen Figuren und Bilder reflektierten sich leuchtend auf den glasklaren Wänden der Römer.

Auf den Wänden verblieben sie, sogar noch schöner,

und veränderten sich sogar mit dem Licht.

Die Kunst der Römer ist der Weg der Sufis.

Sie studieren keine philosophischen Werke.

Sie lassen ihre Liebe reiner und reiner erstrahlen.

Keine Wünsche, kein Groll.

In dieser Reinheit empfangen und reflektieren sie die Bilder jeden Augenblicks,

von hier, von den Sternen, aus der Leere.

Sie nehmen sie auf, als würden sie selbst ebenso klar sehen, wie die Erleuchtete Klarheit, die uns zu sehen vermag.


* Translated by Coleman Barks in The Essential Rumi.