Geschichte des Sufismus (1)

Teil I (700- 1200 n. Chr.)

 

Der Sufismus hat eine 1400 Jahre alte Geschichte. In den ersten zwei Jahrhunderten direkt nach dem Tod des Propheten Mohammad, wurden viele Sufis als Asketen bezeichnet. Der Prinz Ibrahim Adham zum Beispiel (gest. 777 n.Ch.), gab seine Familie und sein Königreich auf, um nach wahrer Erkenntnis (Gnosis) zu suchen. Einer der bekanntesten frühen Sufis war eine Frau, Rabi’a (gest. 752 n.Ch.), die nach den Regeln selbstloser Liebe zu Gott lebte und diese lehrte.1

Während der finsteren Zeit des Mittelalters in Europa, blühte die islamische Wissenschaft und Literatur auf und gelehrte Sufis schritten auf der Ebene wissenschaftlicher und mathematischer Experimente und Entdeckungen voran, während die Europäer, die dasselbe anstrebten, von Irrlehren fehlgeleitet wurden. Während die reichsten christlichen Klöster mit 300 bis 400 Büchern ausgestattet waren, besaß die Muslimische Universität zu Granada 105.000 Bände.

Der Austausch zwischen jüdischen, christlichen und muslimischen Gelehrten war weit verbreitet, vor allem in Spanien, wo die Muslime von 711 bis 1492 die Herrschaft innehatten und selbst während der Kreuzzüge die Religionsfreiheit erlaubten. Die Lehren der Sufis kamen auf diesem Wege über Spanien in die westliche Welt und schufen die Voraussetzungen für christliche Mystiker – wie z.B. die Heilige Theresa, die Heilige Katharina, Meister Eckhart, Richard Rolle und andere – die im 11. Jahrhundert zu erscheinen begannen.

Während dieser langen Zeit, dehnte sich der Einfluss des Sufismus erheblich aus. Im 8. Jahrhundert n.Ch. wurde der Sufi Meister Balkhi (gest. 789 oder 810 n.Ch.) als Experte auf den Gebieten der Physik und Metaphysik berühmt.2   Über den großen Meister Sheikh Nakhshabi (gest. 859 n.Ch.) wurde gesagt, dass er Wunder vollbringen könne. Viele berühmte Sufis lebten im 9. Jahrhundert - Dhu’n Nun in Ägypten; Muhasibi im Irak; Bayazid Bastami in Persien, berühmt für Poesie und Paradoxa sowie Karakhi aus Baghdad, der lehrte, dass man Liebe nicht erlernen könne, weil sie ein göttliches Geschenk sei.

Über die Jahrhunderte hinweg wurden viele Sufis durch die Orthodoxen gepeinigt und getötet. Mansur Hallaj (gest. 921 n.Ch.) wurde als Inbegriff für das Märtyrertum berühmt. Er wurde hingerichtet, weil er gesagt hatte: „Ich bin die Wahrheit." Seine Glaubensverkündung ist die Essenz der Lehren des Islam, die bis zum heutigen Tag von muslimischen Theologen missverstanden wird.

Einige Sufis waren im Westen gut bekannt. Ibn Rushd (gest. 1198 n.Ch.), bekannt als Averroës, war ein Hofarzt und berühmter Philosoph. Al-Arabi (1165-1240 n.Ch.) war ein großer Sufi, über dessen Werke Palacios behauptete, Dantes Göttliche Komödie beruhe auf seinen Beschreibungen. Al-Arabi, der tief greifend durch zwei weibliche Heilige beeinflusst wurde, schrieb mehr als 250 Bücher. Al-Ghazzali (1058-1111 n.Ch.) kooperierte mit dem herrschenden Regime, zu einer Zeit als andere Sufis wie Ansari verfolgt wurden. Eines Tages hatte er einen Zusammenbruch, was ihn dazu brachte seine bisherige Lebensführung zu ändern und ins spirituelle Leben einzutreten. Al-Ghazzalis Lehren kombinierten Mystik und Gesetz. Diese Lehren machten ihn zum einflussreichsten Theologen des mittelalterlichen Islam, wodurch er auch großen Einfluss auf das christliche Gedankengut nahm.3

Im 12. Jahrhundert verfasste Sheikh Ruzbahan (1127-1209 n.Ch.) über 100 Werke.4  Sheikh Najmeddin Kobra (1145-1220 n.Ch.) lehrte 17 ehrenwerte Schüler. Unter ihnen waren Ali Lala Ghaznavi, Faridud-Din Attar und Seyfeddin Bakharzi. Molana Jalaleddin Balkhi Rumi war ein Schüler einer seiner Schüler. 5 Er wurde berühmt für seine mystischen und extatischen Erfahrungen. Annemarie Schimmel sagt in ihrem Buch Die Mystische Dimension des Islam über den oben erwähnten Najmeddin Kobra: „Es gibt keinen Zweifel daran, dass Kobra selbst diese himmlischen Reisen erlebte und die kosmischen Ebenen in seinen Visionen durchschritt. Er stimmt mit anderen Sufi Theoretikern darin überein, dass er den Menschen als Mikrokosmos sieht, der alles im Makrokosmos Existierende in sich birgt."6


1. Margaret Smith, Rabi’a the Mystic and Her Fellow–Saints in Islam (Cambridge, New York: Cambridge University Press, 1984)
2. Annmarie Schimmel, Mystical Dimensions of Islam (Chapel Hill: University of North Carolina Press, 1975)
3. Al-Ghazzali. The Alchemy of Happiness (London: Octagon, 1980) 4. Annmarie Schimmel, Mystical Dimensions of Islam (Chapel Hill: University of North Carolina Press, 1975)
5. Molana Shah Maghsoud Sadegh Angha, Dawn (Riverside, CA: M.T.O. Shahmaghsoudi Publications, 1999), 12.
6. Annmarie Schimmel, Mystical Dimensions of Islam (Chapel Hill: University of North Carolina Press, 1975), 255.